Literarisches Lernen
Künstler: Daniel Eggli
Bücherturm (2020)
Bad Ragartz 2021
Skulpturenausstellung
Auf diesen Seiten dreht sich alles um ‚Literarisches Lernen‘. Deshalb möchte ich diesen Begriff zunächst definieren – was genau versteht man unter dem Begriff ‚Literarisches Lernen‘?
„Es geht nicht nur um Lernen auf einer personalen Ebene, sondern auch um soziale und kulturelle Formen des Lernens über, an und durch Literatur.“
Teilhabe dank Literatur
Um den Begriffen ‚Literatur‘ und ‚Literarisches Lernen‘ auf die Spur zu kommen, möchte ich zunächst die beiden einzelnen Teile der Begriffe betrachten: ‚Literatur‘ und ‚Lernen‘.
Literatur
Eine verantwortungsvolle Teilhabe an der Gesellschaft zeigt sich in einer reflektierten Handlungsfähigkeit. Hurrelmann (2009) spricht von drei unterschiedlichen Handlungsfeldern, zu denen Kompetenzen aufgebaut werden müssen, damit diese Teilhabe ermöglicht wird. Das erste Handlungsfeld umfasst die Lese- und Schreibkompetenzen, die zu Beginn der Schullaufbahn gelernt werden. Soziale Interaktionen stehen im Mittelpunkt des zweiten Handlungsfeldes. Im Austausch mit anderen wird nicht nur soziale Verantwortung übernommen, sondern auch Aktzeptanz und Toleranz geübt. Im dritten Handlungsfeld schliesslich geht es um das ‚Ich‘ – wie positioniere ich mich in der Gesellschaft und wie präsentiere ich mich? (vgl. Hurrelmann B. (2009). Literalität und Bildung. In: A. Bertschi-Kaufmann & C. Rosebrock (Hrsg.). Literalität. Weinheim: Juventa. S. 21-42 und Scherer G. & Vach, K. ( 2019). Interkulturelles Lernen mit Kinderliteratur. Seelze: Friedrich Kallmeyer Klett)
Literatur kann insbesondere die Entwicklung des zweiten und dritten Handlungsfeldes unterstützen. Die Diskussion der unterschiedlichen Normen und Werte, der Lebensentwürfe und Herausforderungen, die die Literatur bereithält, setzt den Austausch mit anderen und die Reflexion eigener Überzeugungen voraus.
‚Literatur‘ ist ein wesentlicher Teil des kulturellen Lebens jeder Gesellschaft. Sie ist potenziell mehrdeutig und ermöglicht deshalb das Denken in Entwürfen. Wer sich mit Literatur beschäftigt, setzt sich mit Fragen der moralischen, historischen, gesellschaftlichen, persönlichen Identität der entsprechenden Kultur auseinander. Damit wird Literatur zu einer Grundlage für die verantwortungsvolle und interessierte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft.
Lernen
Der Begriff ‚Lernen‘ kann verkürzt in drei Punkten definiert werden:
- Wissenerwerb
- Verarbeitung von Erfahrungen
- eine darauf aufbauende dauerhafte Verhaltensveränderung.
Literarisches Lernen
Literarisches Lernen wird demnach verstanden als die diskursive und handelnde Auseinandersetzung mit Texten. Die Ziele sind Persönlichkeitsbildung, soziales und ethisches Lernen wie auch der Erwerb von Weltwissen. Es geht also explizit nicht darum, einen Text ‚besser‘ zu verstehen, sondern ihn als Diskussionsgrundlage zur Identitätsbildung zu erkennen. Dadurch wird eine reflektierte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben unterstützt.
Literarisches Lernen muss also sorgfältig getrennt werden vom sprachlichen Lernen, welches vor allem ins erste Handlungsfeld gehört. Sprachliches Lernen konzentriert sich auf die ‚Form‘ der Sprache: die kognitive Seite des Lesens und Schreibens, die Grammatik, die Rechtschreibung usw. Literarisches Lernen hingegen fokussiert den ‚Inhalt‘ der Sprache: Metaphorik, persönlicher Bezug, Sinn. Dass es dabei nicht um richtig oder falsch gehen kann, versteht sich von selbst.